Donnerstag, 25. September 2008

Hoffmanns Erzählung


Im Panoptikum. 
Detail eines zeitgenössischen Stichs nach einem Gemälde von Albert Heise. 

Viele Wachsfigurenkabinette waren offenbar schon zu E.T.A. Hoffmanns Zeiten auf eine schaurige Wirkung ausgelegt und stellten oftmals nicht mehr allein wächserne Galerien berühmter Herrscherpersönlichkeiten dar: "Mörder und Spitzbuben" gehörten ebenso zur Ausstattung. Das auffällig stille, fast eingeschüchterte Gebaren des Publikums, das E.T.A. Hoffmann in seiner Erzählung "Die Automate" von 1814 ebenso beschreibt wie Joseph Roth 115 Jahre später, scheint aber nicht in erster Linie mit der Art der ausgestellten Figuren in Zusammenhang zu stehen. 
Während Roth hierfür den Schrecken neben Empfindungen der Ehrfurcht und des Staunens verantwortlich macht, nennt eine Figur in Hoffmanns Erzählung den „Druck des Unheimlichen, Grauenhaften“ allein als Ursache dieser besonderen Stimmung. Wachsfigurenkabinette übten demnach bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine unheimliche Wirkung auf ihre Besucher aus. 
Ein Grund liegt sicherlich in der befremdend wirkenden „lebendigtoten“ Ausstrahlung der Figuren, die Arthur Schopenhauer in Verbindung mit einer fehlenden transzendenten Wirkung sieht. Wachsbilder sind, so Schopenhauer, nur täuschend echte Nachahmung, aber keine die Phantasie des Betrachters anregende Kunst. Sie vermitteln keine Idee, keine Vorstellung über das vorübergehend Existierende hinaus. "Darum erregt das Wachsbild Grausen, indem es wirkt wie ein starrer Leichnam." (vgl. Julius von Schlosser: Tote Blicke. Die Geschichte der Portraitbildnerei in Wachs. Ein Versuch, hg. von Thomas Medicus. Berlin 1993, S.117)

»Mir sind«, sagte Ludwig, »alle solche Figuren, die dem Menschen nicht sowohl nachgebildet sind, als das Menschliche nachäffen, diese wahren Standbilder eines lebendigen Todes oder eines toten Lebens, im höchsten Grade zuwider.
Schon in früher Jugend lief ich weinend davon, als man mich in ein Wachsfigurenkabinett führte, und noch kann ich kein solches Kabinett betreten, ohne von einem unheimlichen grauenhaften Gefühl ergriffen zu werden. Mit Macbeths Worten möchte ich rufen 'Was starrst du mich an mit Augen ohne Sehkraft?' wenn ich die stieren, toten, gläsernen Blicke all der Potentaten, berühmten Helden und Mörder und Spitzbuben auf mich gerichtet sehe, und ich bin überzeugt, dass die mehrsten Menschen dies unheimliche Gefühl, wenn auch nicht in dem hohen Grade, wie es in mir waltet, mit mir teilen, denn man wird finden, daß im Wachsfigurenkabinett auch die größte Menge Menschen nur ganz leise flüstert, man hört selten ein lautes Wort; aus Ehrfurcht gegen die hohen Häupter geschieht dies nicht, sondern es ist nur der Druck des Unheimlichen, Grauenhaften, der den Zuschauern jenes Pianissimo abnötigt. (...)"

E.T.A. Hoffmann: Die Automate. 1814. Werkausgabe 2001, S. 399
.